Alles wie gehabt



Das Schloss war, bis auf ein paar Dienstboten und den üblichen Wachen, leer. Es war der erste Abend seit langem, an dem es weder ein Fest noch einen Empfang gab.

Das ganze Schloss war ruhig. Lediglich das Knistern des Feuers, das die Gänge und Räume beleuchtete, war zu hören. Und die leiser werdenden Schritte, auf mit Teppich bedecktem Steinboden, als gerade in diesem Augenblick jemand den Raum verlässt.

Das Zimmer, in dem Sarian sich schon den ganzen Abend befand, gehört seinem Meister. – Es war dessen Arbeitszimmer.

Sarian hatte den Umhang, den er sonst trug, wenn er im Schloss unterwegs war, abgelegt. Somit war er, bis auf ein breites, ledernes Halsband, nackt.

Als Sarian nach einer Weile merkte, dass sein Meister noch immer nicht wiedergekehrt war, wurde er leicht unruhig. Es war schon recht spät und eigentlich wäre es Zeit gewesen zu Bett zugehen.

Würde dieser ihn heute Nacht denn nicht mit rein nehmen wollen?

Einige Zeit verstrich, als sich die Tür zum Schlafgemach erneut auftat. Und wieder hörte man jemanden durch den Raum wandern.

Iohri, so der Name seines Meisters, ging mit ein paar Unterlagen hinüber zum Schreibtisch. Das leise Rascheln der Papiere und die Tatsache, dass sein Meister ihn noch immer nicht losgebunden hatte, ließen Sarian einen Moment lang unsicher aufschauen.

Erneutes Rascheln. Dann sah er, wie die Blätter vorsichtig neben einem Stapel auf den Tisch gelegt wurden.

»Meister …?«, begann Sarian leise – doch es kam keine Antwort. »… seid ihr noch gar nicht müde?«

Abermals durchdrangen leise Schritte den Raum.

»Doch, das bin ich«, hörte er die Stimme seinen Meister. Kurz darauf hockte dieser sich zu ihm hinunter. »Wenn du willst, darfst du hierbleiben. Ich erlaube es dir. Aber nur heute Nacht.« Mit diesen Worten löste er die Kette von Sarians Halsband und hauchte ihm einen vorsichtigen Kuss auf die Stirn.

Sarian schloss, unter der Berührung seines Meisters, für einen kurzen Moment die Augen; dann nickte er stumm. Er wäre gerne, im Schlafgemach, bei ihm gewesen, doch wusste er, dass dies ohne dessen Erlaubnis nicht möglich war.

»So ist es brav …«, sprach der Schwarzhaarige leise. Kurz darauf durchfuhr ein flüchtiges Knistern den Raum und binnen Sekunden erloschen nahezu alle Flammen. Nur das Feuer einiger Fackeln blieb unberührt.

Ein dumpfes, metallenes Klirren, der zu Boden gelegten Kette, war zu hören, dann erhob sich sein Meister wieder und lies ihn für diesen Abend allein.

 

In dieser Nacht lag Sarian schlafend, auf einem Haufen weißer Felle, im Arbeitszimmer seines Herrn. Die zwei geschwungenen Hörner, die ihm rechts und links durch die kurzen, zerwühlten Haare ragten, waren, im schwachen Licht der Fackeln, nur schwer erkennbar. Der kleine Ziegenschwanz, am unteren Ende seines Rückens, lag verborgen zwischen den weichen Zotteln der Felle. 

Ende

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